Stille

Stille

24. September 2019 2 Von JG

Wenn das Gedankenkarussell still steht, gezwungenermaßen

Stille – ich weiß nicht wie es euch da draußen geht, aber Stille gibt es bei mir eigentlich nie wenn ich so darüber nachdenke. In vermeintlicher Stille, wenn man so da sitzt und nichts tut, versunken im Gedankenkarussell, ist es nicht still. Viele denken wahrscheinlich, Stille hat nur was mit Akustik und Geräuschen zu tun. Ich definiere das anders.

Stille ist bei mir nicht, wenn TV, Radio und sonstige Geräusch Kulissen ausgeschaltet sind. Stille ist auch nicht, wenn keiner mit mir redet. Stille ist etwas, was ich seit Jahren nicht mehr kenne. Stille hat auch viel mit Ruhe zutun, ja. Aber nicht zwangsläufig. Ruhe ist für mich etwas Positives, Stille nicht.

Stille war für mich letzte Woche Dienstag. Da hatte ich einen ganz schlimmen Zusammenbruch. Es kamen einige Stressfaktoren on Top, was mich einfach hat zusammenbrechen lassen. Ich bin an einen Punkt gekommen, an dem ich nicht mehr kann, keinerlei Kraftreserve habe, nichts, nicht einen Funken. Ein Punkt, noch schlimmer als im Januar. In mir war nichts, nur Stille, eine Leere an Emotionen, an Gedanken, an Gefühlen.

Ich war mit dem Auto zu einem Termin unterwegs und wollte auf dem Rückweg noch im Supermarkt anhalten. Ich habe im Auto, abseits am Rand des Parkplatzes gesessen und konnte nichts mehr. Nicht abschnallen, nicht aussteigen, nicht denken. Ich habe mir die abgewrackten Häuser gegenüber angeschaut, die Fenster, teilweise eingeschlagen, die kaputte Fassade. Völlig teilnahmslos, ohne Bewertung. Vorbeifahrende Autos, die auf den Parkplatz fuhren, habe ich am Rande wahrgenommen. Es war nichts in mir, kein Gedanke, kein Gefühl, keine Emotion, einfach nur Stille und Leere. Ich glaube es verging eine gute halbe Stunde, bis ich mich berappelt hatte und den Heimweg antreten konnte, ohne Einkäufe versteht sich.

Aber zu Hause ging es genauso weiter. Ich bin rein gegangen, habe mir meine bequeme Hose aus dem Schrank genommen mit dem Vorsatz mich um zu ziehen. Aber ich setze mich nur aufs Bett, starrte raus und war leer. Kein Gedanke war in meinem Kopf, keine Regung in meinem Körper. Es hätte glaub ich eine Bombe einschlagen können und ich wäre auf dem Bett, mit der Jogginghose in den Händen, sitzen geblieben. Irgendwann kam mein Mann, hat mich etwas gefragt und da sind alle Dämme gebrochen. Ich konnte kaum atmen, nicht reden oder aus den Augen schauen. So sehr geweint habe ich glaub ich nur einmal in meinem Leben – und das ist schon sehr sehr lange her. Und obwohl ich geschluchzt habe, kaum aus den Augen schauen konnte und meinem Mann gleichzeitig alles was mich bedrückt erklären wollte, war es einfach nur still und leer. Ich habe wie ein Roboter jeden Gedanken, der mir kam, raus gelassen, konnte auch nicht an mir halten. Normalerweise rede ich nie über meine Gefühle, aber da musste es raus. Auch nachdem ich mich irgendwann beruhigt hatte und mein Mann mich festhielt herrschte ein absolutes Gefühlschaos.

Jetzt versuche ich mich wieder zu fangen. Es ist allerdings etwas eingetreten, wovon ich überrascht bin. Ich habe alles einmal rausgelassen, über alles geredet, schluchzender Weise. Da mir das sehr schwer fällt bis unmöglich ist war dieser Ausbruch auch ein wenig gut. Und mir ist durch das Gespräch mit meinen Mann klar geworden, dass ich ganz dringend etwas finden muss, was mir gut tut und Spaß macht. Und das habe ich schon geschafft 🙂 Ich habe begonnen zu malen, mit Acrylfarben, in Kindergartenqualität. Aber es macht mir Spaß, ich muss mich auf etwas konzentrieren, mich in etwas einarbeiten, und das beschäftigt mich. Und ich werde zum ersten Mal in meinem Leben allein einen Kurztrip machen, ans Meer, um Ruhe zu bekommen und Kraft zu tanken.

Stille, im Prinzip sollte man froh über sie sein. Aber bei mir bedeutet Stille gleich Leere. Stille ist kein erholsamer Zustand. Stille bedeutet Ohnmacht, Stillstand. Auch im absolut lautestem Chaos.

Aber vielleicht werde ich die positive Stille, die einem gut tut auch irgendwann wieder erfahren können… #staypositiv