Dankbar sein über die Erkrankung Depression
Bitte was?
Ja, jetzt denkt ihr bestimmt ich spinne. Ich, die hier über ihre jahrelange Erkrankung, ihre miesen Schicksalsschläge und den endgültigen Zusammenbruch schreibt ist dankbar darüber an Depressionen erkrankt zu sein??? Wie bitte?? Aber mal langsam 😉
Ich habe letzte Woche eine gute Erkenntnis dazu gewonnen. Ja, so kann man es sagen. Wir hatten mal wieder Gruppentherapie, mit das Effektivste an der Reha muss ich mal sagen. In dieser Sitzung wurde viel besprochen, es war eine richtig konstruktive Gruppentherapie!
Dabei kam genau dieser Satz unserer Therapeutin: Dankbar sein daran erkrankt zu sein. Genauer gesagt hat sie diesen Satz in einer früheren Therapiegruppe von einer Patientin gehört.
Und wenn man mal in Ruhe darüber nachdenkt ist das eine ziemlich zutreffende Aussage. Wir sind depressiv, leben in unserem Trott, sehen die Welt nur noch grau in grau. Wir funktionieren, im besten Fall, wenn wir nicht irgendwann zusammenbrechen. Aber es stimmt, wir können im Prinzip dankbar sein.
Wäre ich nicht irgendwann an den Punkt der absoluten Erschöpfung gekommen, an dem nichts mehr ging, ich nur noch heulend und grübelnd auf der Couch gehangen habe, hätte ich nie erfahren, dass es auch anders sein kann. Ich wäre nie aus dem Trott des Funktionierens rausgekommen. Mir wäre nie bewusst geworden, dass die Behandlung mancher Menschen mir gegenüber nicht an mir gelegen hat, sondern die Anderen einfach ekelhaft und egoistisch waren. Ich hätte nie erkannt, dass ich nicht für alles und jeden verantwortlich bin. Sondern die Anderen ihren Teil dazu bei getragen haben. Dass ich einfach mal NEIN sagen darf, wenn meine Grenzen überschritten werden. Was, welche Grenzen habe ich anfangs immer gedacht? Wo liegen die denn bei mir? Wir sehen doch nur diese eine, UNSERE Sicht der Dinge, es läuft und läuft, immer weiter. Es gibt keinen Cut, an dem wir erkennen was alles falsch läuft.
Wäre ich nicht erkrankt und hätte mich der Zusammenbruch nicht dazu gezwungen mir Hilfe zu suchen, wüsste ich das jetzt immer noch nicht. Alles würde so weiter gehen. Das heißt nicht, dass ich hier jetzt schon eine 360° Wende hingelegt habe, aber ich habe schon einige Dinge herausarbeiten können, die ich ändern will oder muss. Die Umsetzung nimmt sehr viel Zeit in Anspruch. Es sind auch sehr viele Baustellen. Und was man in 20, 25 Jahren erlernt hat ändert man nicht in einem Jahr. Dazu fehlt mir auch einfach die Kraft.
Aber wäre ich nicht erkrankt, wäre ich noch in meiner alten Denkweise gefangen, in meiner alten Gefühlswelt. In großen Teilen bin ich auch noch dort drin, das Bewusstsein hat sich geändert. Zumindest weiß ich bei manchen Dingen schon mal, wo der Haken ist.
Also kann man doch sagen, dass Depressionen scheiße sind, aber in einer gewissen Art und Form kann man doch dankbar sein, es erkannt zu haben und diesen Scheiß irgendwann hinter sich lassen zu können, oder?
Und vielleicht hilft diese Sicht auf die Erkrankung auch dem ein oder anderen sich so zu akzeptieren, wie man eben ist. Und man kann vielleicht sagen, gut das mir der Mist passiert ist und ich mir jetzt helfen lassen kann… und mein Leben wieder in die Hand nehme und es so gestalte wie ICH es möchte 🙂